„Ökologie ohne sozialen Kampf, ist einfach nur Gärtnern“ ♥
Chico Mendes
Eine der ersten Sachen, die uns lateinamerikanische Migrant*innen in Deutschland überrascht, sind die Supermarktregale voll mit Produkten aus unseren Herkunftsgebieten. Gleichzeitig beobachten wir eine wachsende Sensibilität für die Auswirkungen der Nahrungsmittelproduktion auf das Klima, für die Verschlechterung der Lebensqualität durch den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden und für die Zerstörung der Lebensräume von Mensch und Tier. Diese Bedenken wurden jedoch in eine Marktnische verwandelt, die von Konzernen kapitalisiert wird. Sie monopolisieren den Markt, indem sie Produkte vermarkten, die als „ökologischer“ oder „gesünder“ gelten. So bruhigen die Sorgen ihrer lokalen Verbraucher auf Kosten einer Ausbeutungsstruktur.
Es fehlt also eine Reflexion über die Auswirkungen des derzeitigen agroindustriellen Produktionssystems auf Leben, Gesellschaft und Natur.
Der globale Lebensmittelmarkt funktioniert nach einer Dynamik, die für exportorientierte Regionen wie Lateinamerika schwerwiegende Folgen hat: Entwaldung und das Verschwinden kleiner und mittlerer ländlicher Ökonomien. Auch in Europa fördert das Produktionssystem die Zerstörung von Wäldern und das Vordringen von Monokulturen, wodurch Kleinbauer*innen verdrängt und der Klimawandel vorangetrieben wird.
Wie wird unsere Nahrung produziert?
In Berlin weiß man wenig über die Bedingungen, unter denen die Lebensmittel, die wir konsumieren, produziert werden. Damit meinen wir nicht nur die Verhältnisse in Lateinamerika oder Afrika, sondern auch jene auf diesem Kontinent und sogar ein paar Kilometer von Berlin entfernt, in den ländlichen Gebieten Brandenburgs.
Die Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, wie fragil die Nahrungsmittelkette in Deutschland ist, die zu einem großen Teil von Importen und der Arbeit von Migrant*innen aus Osteuropa und Lateinamerika, um nur einige zu nennen, abhängig ist, welche in prekären Verhältnissen bei den saisonalen Ernten arbeiten.
Wie kommt das Essen nach Berlin?
Die Konzentration findet nicht nur in der Produktion statt, sondern auch im Vertrieb und in der Vermarktung, wo Unternehmen wie Lidl und Edeka ein Oligopol über den Vertrieb von Lebensmitteln haben und die Erzeuger*innen zwingen, zu niedrigen Preisen an ihre Franchises zu verkaufen.
Kleine und mittlere Produzent*innen, die an „bewusstere“ Supermärkte wie Bio-Company und LPG verkaufen, müssen ihre Produkte oft wegwerfen, weil die Ästhetik der Lebensmittel nicht den Anforderungen der Verbraucher*innen entspricht.
Bio-Supermärkte oder Supermärkte mit Regalen voller vermeintlich gesunder Produkte bieten keine Lösung für die Probleme der Bevölkerung und der Erzeuger*innen, und ihre Preise machen sie für Menschen mit geringem Einkommen unzugänglich.
Die Alternative ist nicht in „Bio“-Supermärkten zu kaufen.
Bei unserer Suche nach Alternativen dürfen wir nicht dazu beitragen, die gleichen Logiken von Produktion und Konsum aufrechtzuerhalten. Stattdessen sollten wir kollektive Wege der Ernährung entwickeln und fördern, die im Einklang mit der natürlichen und sozialen Umwelt stehen.
In Lateinamerika, aber auch in Deutschland, gibt es viele Beispiele, wie dies erreicht werden kann.
Die „Unión de Trabajadores de la Tierra“ [etwa: Vereinigung der Arbeiter*innen der Erde] in Argentinien oder das Movimiento de los Trabajadores sin Tierra [etwa: Bewegung landloser Arbeiter*innen] in Brasilien sind ikonische Beispiele dafür, wie es möglich ist, nachhaltige Produktion in den Händen von Kleinproduzent*innen mit urbanem Konsum zu verbinden, der sich der aktuellen sozialen und ökologischen Probleme bewusst ist. Internationale Netzwerke wie Via Campesina [etwa: der bäuerliche Weg] zeigen, wie globale Alternativen geschaffen werden können, indem sie Ernährungssouveränität als Vorschlag für Autonomie und Dekommodifizierung von Nahrung ins Zentrum stellen.
In Berlin und Brandenburg gibt es hunderte von solidarischen Wirtschaftskernen (SoLaWi) und Produktionsketten. Diese verteilen ihre Produkte einzeln, wodurch die Kosten der Verteilung in jeder SoLaWi internalisiert werden. Es ist mehr Koordination und Solidarität zwischen den Betrieben erforderlich. Auch in Berlin und anderen urbanen Zentren ist es notwendig, kooperative Formen des lokalen und regionalen Konsums zu organisieren.
Vom Bloque Latinoamericano glauben wir, dass es ohne alternative Formen des Landbesitzes, der Produktion und des Konsums keine wirkliche Veränderung geben kann. Wir bauen Verbindungen der Solidarität und des Austauschs zwischen dem Land und der Stadt auf, durch einen fließenden Kontakt mit ländlichen Produzent*innen, die um die ABL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) assoziiert sind, und durch die Förderung von Punkten solidarischen Konsums im Rahmen des SolaWi-Netzwerks. Schließ dich uns an, um kollektive Formen zu finden, uns zu ernähren!