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Solidarität mit Lateinamerika

Klimagerechtigkeit und Dekolonialität

Diskussion lateinamerikanischer Perspektiven für soziale Emanzipation

von Ryan della Sala und Tuk

Dieser Beitrag ist aus dem gemeinsamen Austausch und der Reflexion migrantischer Perspektiven und solcher aus Kämpfen für Klimagerechtigkeit in Deutschland entstanden. Wir glauben, dass eine bessere Zukunft möglich ist und sind überzeugt, dass wir eine Gesellschaft aufbauen können, welche sich nicht um die Ausbeutung durch das Kapital, sondern für das Leben organisiert; eine Gesellschaft, in der die Natur, unser Wohnraum und unsere Arbeitskraft keine austauschbaren Waren sind.

Unsere Gedanken und Perspektiven stammen hierbei nicht aus dem akademischen Studium der Sozialwissenschaften, sondern aus unserer politischen Praxis und unseren Erfahrungen als Aktivist*innen; sie kommen aus den queeren Kämpfen in Argentinien und dem Aktivismus für Klimagerechtigkeit in Deutschland.

Wir wollen einen Beitrag zu politischer Aktion leisten, die sich nicht nur konkrete Ziele setzt, sondern diese auch tatsächlich erkämpfen kann. Dabei entstehen unsere Beiträge aus den Überlegungen und Reflexionen, die in unseren politischen Räumen stattfinden. Wir wollen zu den aktuellen politischen Debatten über Dekolonialität und den uns wichtig erscheinenden Strängen innerhalb dieser Debatten Position beziehen und so bei der Entwicklung einer politischen Theorie unterstützen, die die historischen Prozesse der Transformation begleitet, welche uns antreiben und die uns zu einer stärkeren Organisierung führen.

Unser politischer Kontext

Ende letzten Jahres wurde die Regierung der Ampelkoalition (Grüne, Sozialdemokraten – SPD – und Liberale – FDP -) nach vielen Jahren der Regierungsbeteiligung der CDU (Christlich Demokratische Union Deutschlands) konsolidiert. In einigen Bereichen der Gesellschaft bestand die Erwartung, dass es sich um eine progressivere Regierung als die vorherige handeln würde, und zwar aufgrund der Erfolge der Bewegungen für Klimagerechtigkeit und der Idee des Green New Deal, von dem gehofft wird, dass er auf einige der sozialen Forderungen der letzten Jahre reagieren könnte.

Inzwischen sind mehr als sechs Monate seit dem Amtsantritt der Regierung vergangen und wir können bereits einen ersten Blick auf die konservative Linie der Koalition werfen. Nicht nur gibt es keine klare Politik in Bezug auf die proklamierte 1,5°-Grenze, zusätzlich vertieft diese Regierung

auch noch die Politik des Extraktivismus in Lateinamerika, zum Beispiel mit den jüngsten Vereinbarungen zur Kohleförderung in Kolumbien (die sich jetzt in einer Krise befinden, da kürzlich eine progressive Regierung mit Francia Márquez als Vizepräsidentin eingesetzt wurde). Dazu kommen die Milliarden Investitionen in das Militär, die klar aufzeigen, dass für diese Regierung der Krieg eine höhere Priorität hat als die Sozial- und Umweltpolitik.

Wo sollten wir unserer Meinung nach den Schwerpunkt unserer Politik setzen?

Die Erfahrungen der Widerstandskämpfe in Lateinamerika würdigend, glauben wir, dass tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen nicht durch Verhandlungen im Parlament erreicht werden, sondern durch den Aufbau von Macht durch die Basis. Das bedeutet, dass die Macht aus dem Bedürfnis und der Notwendigkeit der Menschen erwächst, ihre Lebensbedingungen zu verbessern und in diesem Sinne gegen Unterdrückung aufgrund von Klasse, Geschlecht und Race zu kämpfen. Es ist eine Macht, die das Leben in den Mittelpunkt stellt und welche aufgebaut wird, ausgehend von Diskursen darüber und der Sehnsucht danach, dass die grundlegenden Rechte und materiellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Unterdrückten geachtet und erfüllt werden.

Nehmen wir als Beispiele die Kämpfe um die Legalisierung der Abtreibung, das Gesetz zur freien Wahl der Geschlechtsidentität und -angleichung und das Gesetz für die Quote von Trans- Arbeiter*innen (1) in Argentinien. Keiner dieser Kämpfe wurde dadurch gewonnen, dass man die staatlichen Machtstrukturen um Erlaubnis gebeten hätte. Diese Kämpfe wurden durch den Aufbau von breiten, vom pueblo (2) getragenen, kollektiven Organisationen gewonnen, deren Methoden auf der Educación Popular (3) beruhten und die es verstanden, Selbstorganisation mit der breiteren Dimension der politischen Auseinandersetzung zu verbinden.

Ausgehend von der Idee der Gegenmacht, wie sie von Gramsci vorgeschlagen wurde, oder der revolutionären Macht, wie sie vom argentinischen Guerillakämpfer Mario Roberto Santucho vorgeschlagen wurde, glauben wir, dass es von grundlegender Bedeutung ist, kollektive Organisationen aufzubauen, die mittel- und langfristig in die Zukunft planen und es schaffen, Menschen anzusprechen, die nicht organisiert oder politisiert sind; denn um die notwendigen strukturellen Veränderungen zu erreichen, müssen wir viele sein.

Die Rolle der Aktivist*innen

Auf der Grundlage dieser kontextbezogenen Analyse stellen wir uns die Frage nach unserer Rolle in den Organisationen und der politischen Kultur, die wir aufbauen. Wir fragen uns; wie können

wir Methoden entwickeln, die uns unsere gesellschaftliche Position in Bezug auf Geschlecht, Erfahrungen mit Rassifizierung und vielen weiteren Machtstrukturen bewusst machen und es uns ermöglichen, unsere politische Praxis zu stärken und nicht zu behindern?

Sowohl die Bewegung der Queers mit dem argentinischen Feminismus als auch das politische Denken des lateinamerikanischen Guerilleros Che Guevara stimmten in einem entscheidenden Punkt bzgl. der sozialen Transformation überein: Wir können keine neue Gesellschaft mit „den schartigen Waffen des Kapitalismus“ (4) aufbauen und wir können auch nicht vergessen, dass das Private politisch ist, wenn es um gemeinsame Erfahrungen eines unterdrückten Teils der Gesellschaft geht.

Wir stellen jedoch fest, dass die hiesigen, von NGOs (hauptsächlich nordamerikanischen und europäischen) oder autonomen Blasen geerbten, politischen Methoden letztlich vor allem Schuldgefühle und Ängste erzeugen, was zur Lähmung der politischen Praxis führt. Denn sowohl die NGOs als auch autonome Blasen individualizieren Probleme, die aber kollektiv und systemisch sind. Deutlich wird das, wenn Menschen in aktivistischen Kreisen mehr Zeit damit verbringen, mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die weniger Unterdrückung durch gewalttätige, hetero-cis- sexistische, koloniale und rassistische Systeme erlitten haben, als damit, sich zu fragen, wie man Räume schaffen kann, in denen Unterschiede es ermöglichen, Allianzen zu schmieden, um dringende Kämpfe zu gewinnen.

Eines von vielen Beispielen ist, wenn Menschen, die eine Hochschulbildung genossen haben, mit dem Argument zum Schweigen aufgefordert werden, dass sie viele Privilegien hätten, weil sie Zugang zu Bildung hatten, anstatt gemeinsam, aus den unterschiedlichen Positionen heraus und sich dieser bewusst, Kämpfe für das Recht auf Bildung zu führen, so wie in Chile, wo diese Kämpfe nach 10 Jahren zu einem historischen Sieg und einer neuen Verfassung geführt und die sozialen Bewegungen Bildung als universelles Recht erstritten haben.

Diese Logik der ständigen Überprüfung „der Privilegien“ erzeugt das Gefühl, dass man sich nicht äußern darf, wenn man nicht genug gelitten hat. Das führt zu einer individualisierenden Konkurrenz darum, wer das meiste Recht hat zu reden und wer die am meisten unterdrückten Communities am besten repräsentiert.

Natürlich stimmt es auch, dass es unendlich viele Menschen gibt, vor allem europäische, akademische, weiße, cis-geschlechtliche, heterosexuelle, männliche usw., die ihre Positionierung nicht verstehen und in Räumen und Momenten, die ihnen eindeutig nicht zustehen, das Wort ergreifen.

Deshalb glauben wir, dass es wichtig ist, die Unterschiede anzuerkennen, um Brücken zu bauen und uns darin zu bestärken zu kämpfen und Siege zu erringen. Aber die Unterschiede anzuerkennen kann nicht um den Preis geschehen, dass Menschen, die Seite an Seite mit uns kämpfen wollen, weggestoßen werden. Es ist unsere Aufgabe, ob es uns gefällt oder nicht, Methoden zu entwickeln, die den Menschen keine Angst machen, ihre Meinung zu sagen, weil sie nicht politisch korrekt genug sind.

Es ist diese Politik der Korrektheit, verstärkt durch die Schuldgefühle, nicht genug Erfahrungen von Unterdrückung gemacht zu haben, die zu Individualisierung, zu Lähmung und einer konstanten sich nach außen abgrenzenden Reflexion im Kreise von Menschen führt, die bereits davon überzeugt sind, dass die Welt ungerecht ist. Anstatt uns zu kollektivieren, individualisiert, fragmentiert und isoliert uns diese Politik. Genau das ist es, was die Grundlagen des Neoliberalismus beabsichtigen.

Die Geschichte und vor allem die Lehren der queeren Kämpfe zeigen, dass mit der von den Kirchen übernommenen Logik der Schuld nichts zu gewinnen ist. Wir müssen diese Muster überwinden und die Schuldgefühle bekämpfen, um sie in ein Gefühl der sozialen Verantwortung umzuwandeln. Eine Verantwortung, die den politischen Diskussionen über Intersektionalität gerecht wird und uns bewusst macht, wann es aus unserer Position heraus angebracht ist das Wort zu ergreifen, die aber gleichzeitig eine produktive Kraft für das Angehen der politischen Aufgaben erzeugt. Denn es gibt Millionen von Menschen auf der Welt, für die die Ausbeutung und Zerstörung ihrer Territorien ein Problem ist, das keinen Aufschub duldet!

Gleichzeitig sehen wir, wie politische Praktiken, insbesondere in Europa, teilweise von internen polizierenden Logiken durchkreuzt werden. Dabei besteht die Art und Weise, verschiedenen Intersektionalitäten Gehör zu verleihen, darin, Überwachungsteams zu bilden, die eine fast polizeiliche Prüfung dessen vornehmen, was „richtiges“ oder „falsches“ Verhalten ist. Das soll nicht heißen, dass zB. Queers und Frauen in offenen Räumen keinen Ort bräuchten, an den sie sich wenden können, wenn ihnen jemand Gewalt antut.

Aber unserer Meinung nach ist es problematisch, sich auf Überwachungs- und Kontrollmechanismen einzulassen, um das Gefühl zu haben, dass wir uns in einem sicheren Raum befinden. Wir glauben, wir sollten Räume mit genügend politischem Vertrauen schaffen, in denen sich Fehlverhalten zu einer politischen Diskussion entwickeln kann, die uns als Kollektiv bereichert.

Sowohl in Lateinamerika, als auch in der kurdischen politischen Praxis, gibt es interessante Beispiele von Kritik an bestrafenden und polizeilichen Logiken, welche eine rote Linie darstellen, die wir nicht überschreiten dürfen.

Die große Frage lautet: Wie können wir Methoden entwickeln, die es uns gleichzeitig ermöglichen, über unsere Positionerung nachzudenken und produktive Kräfte zu entwickeln?

Eine erste Annäherung unsererseits an eine Beantwortung dieser Frage ist, dass sich die Bemühungen der politischen Organisationen auf die politischen Ziele konzentrieren sollten, die die Menschen in ihnen zusammenbringen und sie zusammenhalten, und darauf, Räume zu schaffen, die die Selbstorganisation von mehr Menschen und mehr Bereichen der Gesellschaft ermöglichen.

Wir wollen nicht leugnen, dass es in politischen Räumen Gewalt gibt. Stattdessen sorgt unsere Annäherung dadurch, dass sie das politische Handeln in den Mittelpunkt stellt, für die Notwendigkeit von Dynamiken, die möglicher Gewalt vorbeugen und dafür sorgen, dass wir uns in gemischten Räumen so sicher wie möglich fühlen. Letztlich glauben wir durch diesen anderen Fokus auch eine größere präventive Wirkung gegen Gewalt innerhalb unserer Bewegungen erreichen zu können.

Welche Kollektive wollen wir aufbauen?

Auf einen eingangs erwähnten Punkt zurückkommend, sind wir der Meinung, dass die politischen Ziele, die wir uns setzen, von generationenübergreifenden politischen Akteuren vorangetrieben werden müssen, die sich historisch einordnen und aus den Fehlern und Erfolgen der Vergangenheit lernen können; die in methodologischen Synthesen die Art von politischer Kultur zusammengeführt haben, die sie innerhalb ihrer Organisationen aufbauen wollen. Wir brauchen politische Akteure, die in der Lage sind, die Verhältnisse zu analysieren, in denen wir leben und auf der Grundlage der Möglichkeiten zu bennen, welche Aufgaben wir in jedem politischen Moment in Angriff nehmen müssen. Der Rahmen für diese Analyse und das politische Handeln reicht dabei von der Frage, wie man gegen die Ausbeutung von Wasserschutzgebieten in Brandenburg kämpfen kann, bis hin zur Frage, wie man 500 Jahre extraktivistischen Kolonialismus, der ein Wirtschaftsmodell der brutalen Ausplünderung aufrecht erhält, beenden kann.

Um diese Ziele zu erreichen wollen wir die Methoden von Organisationen für Klimagerechtigkeit überdenken,. In den letzten Jahren war die Radikalisierung des politischen Handelns ein zentrales Thema innerhalb der Bewegung. Aber was ist Radikalität? Wir glauben, dass Radikalität mit dem Verständnis des Kontextes beginnt, in dem wir leben, und nicht mit der Verherrlichung einer Aktionsform. Ob Aktionen radikal sind oder nicht hängt vom Kontext ab.

Wir können uns als Beispiel die großen Erfolge von Ende Gelände der letzten Jahre angucken. Die Aktionen zivilen Ungehorsams waren hier radikal, weil sie in der Lage waren, das Thema Kohle und Klimakrise in die öffentlichen Diskurse zu bringen, indem sie mit Hunderten und später Tausenden von Menschen mit direkten Aktionen Kohletagebaue blockiert haben. Heutzutage

ist die Aktionsform des zivilen Ungehorsams, die einst ein Novum war und es geschafft hat den Diskurs und die politischen Praktiken zu verschieben, in allen Klimagerechtigkeitsgruppen zu einer wiederkehrenden Praxis geworden und erzielt nicht mehr den gleichen Effekt.

Eine weitere Taktik innerhalb der Bewegung, die massive Wirkung zeigte, war, als sich Aktivist*innen im Hambacher Forst darauf konzentrierten, den öffentlichen Diskurs zu gewinnen, statt den Wald nur durch physische Konfrontation zu verteidigen. So gelang es ihnen, auf dem Höhepunkt der Mobilisierungen rund 50.000 Menschen in eine ländliche Gegend zu mobilisieren und den Wald zu verteidigen.

Für viele gibt es eine vorgefertigte Definition dessen, was radikale politische Aktion bedeutet; sie hat für sie eine sehr klare und definierte Form und wird durch direkte Aktionen bestimmt. Wir sind jedoch der Meinung,

Wenn wir auf die Geschichte Lateinamerikas zurückblicken, können wir sehen, wie jeder Prozess des sozialen Wandels und jede erkämpfte Verbesserung die bestehenden politischen Praktiken erneuert und erweitert hat. Aus unserer Sicht war, ist und wird das systematische Studieren von Erfahrungen eine richtungweisende Tätigkeit sein, die uns erlaubt die Realität besser zu verstehen und die uns Werkzeuge an die Hand gibt, um dann in unseren eigenen Kontexten kreativ zu werden.

Radikalität hängt von jedem politischen Kampf ab, sie hängt vom politischen Kontext ab, von der Stimmung der sozialen Basis um uns herum, von den Erzählungen, die zu diesem Zeitpunkt in der Gesellschaft vorherrschen. Es gibt nicht nur einen Weg radikal zu sein! Radikalität kann manchmal direktes Handeln bedeuten, aber oft auch das Mobilisieren von Teilen der Gesellschaft, die nicht aktiv werden, wenn sie nicht in ihrem Alltag angesprochen werden. Ein Beispiel in diese Richtung war die berliner Kampagne Deutsche Wohnen & Co. enteignen, die zwei sehr wichtige Faktoren miteinander verbunden hat: zum einen die Möglichkeit auf der Grundlage eines konkreten Problems Teile der Gesellschaft zu mobilisieren, die zuvor noch nicht mobilisiert wurden, und zum anderen das Aufzeigen einer politischen Strategie für das Erreichen der Ziele, die es den Menschen möglich erscheinen ließ den Kampf wirklich zu gewinnen. Offen bleibt jedoch die Frage, ob es zur Zeit politische Organisationen gibt, die diesen angestoßenen Prozess ausreichend weiter vorantreiben können, um ihm die nötige Kontinuität zu verleihen und die Menschen weiter zu mobilisieren.

Das ist ein weiteres Element dessen, was wir unter Radikalität verstehen; die Fähigkeit, sich je nach den Erfordernissen des politischen Kontextes neu zu erfinden; die Notwendigkeit soziale Kräfte aufzubauen, die in der Lage sind zu identifizieren, in welchen politischen Verhältnissen wir leben und was die Bedürfnisse der Menschen sind und dann immer wieder

Aktionsformen und Methoden zu ändern, um immer mehr Menschen zu erreichen, über längere Zeiträume und in direkter Auseinandersetzung mit der dominanten Klasse und dem von ihr bestimmten Alltagsverstand.

Und was wären bessere Erfahrungen als die jener Kämpfe, die in der ganzen Welt gewonnen werden? Wir müssen uns von alltagsfernen Romantisierungen lösen und uns auf das Studieren politischer Erfahrungen konzentrieren, die erfolgreich Forderungen durchgesetzt haben. Um unsere politische Praxis zu stärken, müssen wir die Heterogenität und Komplexität verstehen, die diese Art der Übersetzung von Erfahrungen mit sich bringt.

Heute sind wir Zeug*innen der großen Mobilisierungen in den Vereinigten Staaten, bei denen die pañuelos verdes (5) der Kampagne für einen sicheren, kostenlosen und legalen Schwangerschaftsabbruch aus Argentinien verwendet werden. Aber es war nicht nur eine Kampagne; der Erfolg der Errungenschaften der feministischen Bewegung und der Queers in Argentinien ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit an der Basis, der Selbstorganisation der Nachbarschaften, der educación popular im ganzen Land, der selbstverwalteten Beratung zur Unterstützung schwangerer Frauen beim Schwangerschaftsabbruch, der parteilichen und nicht- parteilichen politischen Organisationen, die sich politisch für diese Forderungen eingesetzt haben. Dies war möglich, weil es aktive soziale Bewegungen und Kollektive gibt, die über Einzelpersonen hinausgehen und versuchen, die politischen Kämpfen voranzubringen.

Das ist auch der Fall des verfassungsgebenden Prozesses in Chile, wo es so aussah, als könnten die großen Mobilisierungen der Schüler*innen nur wenige Ergebnisse erzielen, bis die Anhäufung von mehr als zwanzig Jahren der Mobilisierung dazu führte, dass Chiles mörderische, extraktivistische und 1980 eingeführte, weltweit erste neoliberale Verfassung begraben wurde. Jene Verfassung, die um den Preis des Massakers an der chilenischen Bevölkerung durchgesetzt wurde, inszeniert vom nordamerikanischen Imperialismus und der „School of the Americas“.

All diese Übungen sollten uns helfen, darüber nachzudenken, wie wir unsere politische Praxis stärken können, um hier Massenbewegungen zu erzeugen und poder popular (6) aufzubauen.

Für uns ist die beste Art und Weise, Solidarität mit den pueblos des so genannten Globalen Südens zu zeigen, eine kollektive Kraft aufzubauen, die in der Lage ist, Forderungen gegen den kapitalistischen Staat durchzusetzen, fernab von individualistischen Strategien und falschen Propheten. Und wie der Kampf der Genoss*innen Kurdistans uns gelehrt hat: die anti-patriarchalen Kämpfe fest im Visier haben, um die öffentliche Politik anzufechten und ein für alle Mal unsere Ausbeutung, die Verschmutzung unserer Böden, die Zerstörung unserer Ländereien und die Plünderung unserer Gewässer zu stoppen.

Luchar, crear poder popular


  1. Ley de Interrupción Voluntaria del Embarazo“, „Ley de identidad de género“, „Ley Diana Sacayán“
  2. Die wortwörtliche Übersetzung ins Deutsche von pueblo ist in diesem Zusammenhang Volk (in anderen Kontexten kann pueblo auch Dorf oder Ortschaft bedeuten). Allerdings ist das Konzept von pueblo kein biologisiertes, wie im historisch deutschen Kontext und beruht nicht auf einer imaginierten Homogenität des pueblos in Bezug auf Blut oder Kultur. Stattdessen betont es Aspekte des von unten und des Unterdrücktseins.
  3. übersetzt „populäre Bildung“, wobei popular sich hier von pueblo ableitet.
  4. original „las armas melladas del capitalismo
  5. übersetzt „grüne Tücher
  6. übersetzt „Volksmacht„, jedoch mit Bezug auf das Konzept des pueblo, nicht auf den im deutschen historisch belasteten Begriff des Volks. Also eher „Macht des pueblos“.
Authors: Ryan della Salla, Tuk